Lottas Geburt

Lottas Geburt

Vielen Dank für euren ausführlichen und lebensnahen Geburtsbericht eures ersten Kindes.

Ich erinnere mich sehr gern an euere Begleitung !

Ich war bereits bei ET+3 und zunehmend ungeduldig. Auch mein Frauenarzt begann den Druck zu erhöhen, da bereits bei den letzten Kontrollterminen die CTG-Kurve recht "flach" war, trotz super Dopplerergebnissen und genügend Fruchtwasser. Den nächsten Kontrolltermin sollte ich am Mittwoch wahrnehmen und war mir recht sicher, dass er mir dann eine Einleitung empfehlen wurde, die ich gern umgehen wollte. Unser Baby sollte sich seinen Geburtstermin selbst aussuchen dürfen und wir wünschten uns sehr, dass das mit der Hausgeburt klappt.

Den ganzen Tag über war ich ziemlich müde und körperlich erschöpft. So schön und unkompliziert die Schwangerschaft gewesen war, ich hatte langsam die Nase voll und wollte unser Baby kennenlernen. Außerdem störten mich die ständigen Nachfragen von Verwandten und Bekannten, ob denn das Baby nun "endlich" da sei. Am Vormittag hatte ich noch einen Vorsorgetermin, zu dem unsere Hebamme Peggy kam (Hausbesuch). Wir sprachen über meine Sorgen bezüglich einer möglichen Einleitung. Sie beruhigte mich und sprach mir Mut zu, dass die Kleine schon von sich aus kommen wird. Außerdem massierte sie mir den Bauch mit einem anregenden Öl und setzte mir nochmal einige Akkupunkturnadeln.Am Abend waren wir gerade in der Küche und bereiteten das Abendessen vor, als ich gegen 18.30 Uhr ein leichtes Ziehen im Unterleib bemerkte. Ich sagte zu meinem Freund Paul, dass ich dieses Ziehen so noch nicht hatte und wir es mal beobachten mussten. Ziemlich genau zehn Minuten später das nächste Ziehen: 12 Minuten, 8 Minuten, 10 Minuten. Ich begann das Ziehen mit einer Wehen-App zu tracken und staunte, wie schnell sich die Abstände auf alle 8 Minuten einpendelten. Langsam wurde das Ziehen auch stärker und ich konnte nicht mehr so einfach nebenbei essen oder fernsehen. Ich sagte zu Paul, dass ich mir recht sicher bin, dass es nun langsam losgeht. Wir waren ziemlich aufgeregt und gingen beide noch einmal in Ruhe duschen. Gegen 21•30 Uhr bemerkte ich beim Abwischen auf der Toilette blutigen Ausfluss. Ein weiterer Hinweis, dass es wirklich losgeht. Die Wehen steigerten sich weiter in ihrer lntensität und kamen plötzlich direkt alle 3 Minuten. Uns wurde etwas mulmig, weshalb Paul gegen 22 Uhr Peggy kontaktierte. Sie fragte uns, ob sie gleich kommen soll oder wir noch eine Weile autonom bleiben möchten. Nach einem kurzen Telefonat mit mir versicherte Peggy, dass es bis zur Geburt noch ein ganzes Stück dauern wird (ich konnte in den Wehenpausen wohl noch zu problemlos reden). Deshalb  entschieden wir uns, noch ein wenig allein zu bleiben.

Ich versuchte, mich ein bisschen auf unser Sofa zu legen, fand diese Position aber während der Wehen unerträglich und wanderte lieber durch die Wohnung. Veratmete die Wehen gegen den Türrahmen gelehnt, auf den Garderobenschrank gestützt oder auf der Toilette. Paul feuerte unseren Kamin an und bereitete alles für die Geburt vor. Er bezog das Sofa mit Malerflies und Bettlaken, holte mir etwas zu trinken, stellte das Körbchen mit den Dingen für die Hausgeburt bereit und lüftete noch einmal. In all der Aufregung vernachlässigten wir den Kamin ein wenig, ein Feuer kam kaum zustande. Plötzlich ging auch noch der Kohlenmonoxidmelder mit ohrenbetäubendem Piepen los. Ich veratmete gerade eine Wehe in der Nähe und erschrak ziemlich. Deshalb habe ich den Melder vor Aufregung von der Wand gerissen und die Batterien entfernt, bevor wir wieder lüfteten. Das braucht man unter der Geburt nun nicht auch noch!

Paul lies mir auch eine Wanne ein, die ich im Laufe der Nacht immer wieder aufsuchen sollte. Das Wasser half mir sehr gut, die Wehen zu veratmen und in den Wehenpausen zu entspannen. Paul war die ganze Zeit an meiner Seite, lies warmes Wasser nach, holte mir etwas zu trinken oder massierte meinen Rücken. Ich habe kurzzeitig auch mit einem Tens-Gerät probiert, die Wehen erträglicher zu machen, aber das half nicht. Letztlich war es die Atmung, die unter der gesamten Geburt für mich zum besten Freund geworden ist.

Gegen 1 Uhr wurden die Wehen noch stärker, sodass ich Paul bat, Peggy noch einmal anzurufen. Sie sicherte dann auch direkt zu, sich auf den Weg zu machen (es hatte in der Nacht geschneit) und traf gegen 2•00 Uhr bei uns ein. Sie kontrollierte kurz die Herztöne und war ansonsten einfach da. Das beruhigte mich sehr und ich fühlte mich rundum sicher. In den Wehenpausen in der Wanne schlief ich sogar immer wieder kurz ein, Paul machte auf dem Badvorleger die Augen zu und bei der nächsten Wehe waren wir beide wieder wach, weil ich sie inzwischen laut vertönen musste.

Peggy bat mich dann, die Wanne auch mal wieder zu verlassen, weil mich das Wasser zu sehr entspannte und die Wehenabstände wieder größer wurden. Zwischendurch trank ich immer wieder Wasser mit Calcium-Tabletten und lutschte Traubenzucker. Wir konnten alle noch lachen, als ich meinte, dass Dextro-Energy eigentlich so schmeckt, wie altes 0ma- Parfum riecht. Im Wohnzimmer veratmete ich die Wehen auf den Knien und über das Sofa gebeugt, wobei ich laut in ein Kissen tonte. Zwischendurch massierte Peggy mir den Rücken, bis ich das irgendwann nicht mehr wollte. Ich fragte dann, ob Peggy nach dem Muttermund schauen könne, und hoffte sehr, nicht enttäuscht zu werden.

Hoffentlich hatte sich überhaupt schon etwas getan! Peggy tastete und teilte mir das Ergebnis mit: 4 cm. Ich wusste nicht, wie ich das finden sollte, nach immerhin gut 8 Stunden kräftigen Wehen. Peggy sicherte mir zu, dass das ein super Zwischenstand sei und es gut voran ginge. Als ich auf der Toilette die nächste Wehe veratmete, sagte sie zu Paul, dass ich richtig schöne, kräftige Wehen habe und dass es aber auf jeden Fall noch eine ganze Weile dauern würde. Gut, dass ich das erst im Nachhinein erfuhr, zumal ich zu Paul eine halbe Stunde vorher noch erschöpft gesagt habe, dass das hoffentlich bald vorbei ist. Wir hatten bald nach dem Beginn der Wehen keltische Meditationsmusik angemacht, die mich nach immerhin über 6 Stunden mittlerweile ziemlich nervte. Mit den Worten "das geht mir jetzt auch langsam auf den Sack" zog ich den Stecker und schaltete sie aus.

Irgendwann wurden die Wehen für mich unerträglich und obwohl ich wusste, dass das ein gutes Zeichen war, fragte ich Peggy ziemlich verzweifelt, was ich denn nur noch tun könne. Sie erwiderte, ich solle die Wehenpausen zur Erholung nutzen. Das versuchte ich dann auch noch mehr. Immer wieder fragte ich, ob ich wieder in die Wanne dürfe und Paul (der inzwischen festgestellt hatte, dass bei uns nachts kein warmes Wasser kommt) kochte unermüdlich Wasser im Wasserkocher und wärmte so die Wanne wieder auf. Im Nachhinein erzählte er mir, dass das natürlich ewig dauerte und dass das Wasser zwischendurch sogar noch überkochte und er die kleine Überschwemmung beseitigen musste. Aber ich hatte absolut kein Zeitempfinden. Zwischendurch setzte Peggy mir auch noch einmal ein paar Akkupunkturnadeln in die Hände, was die Wehen meines Erachtens nach noch kräftiger werden ließ.

Peggy fragte, ob sie noch einmal nachschauen könnte, wie weit der Muttermund geöffnet sei, um gegebenenfalls Anke (die Zweithebamme für die Geburt) benachrichtigen zu können. Ich stimmte zu und hoffte, dass sich in der Zwischenzeit noch etwas getan hatte. Und tatsächlich - vollständig geöffnet, nur noch ein weicher Saum war zu fühlen. Peggy gab ihr OK für die Wanne und ich konnte kaum glauben, dass es nun gar nicht mehr lang dauern würde.

Zurück im Wasser kamen auch direkt die ersten Presswehen. Ich hatte das Gefühl, dringend auf Toilette zu müssen und als Peggy mich ermutigte, kräftig mitzuschieben verstand ich nicht, dass es das Baby war, dass so stark nach unten drängte. Ich erklärte Peggy leicht panisch, dass ich nicht garantieren könne, ob da nicht auch noch was Anderes raus müsse, aber sie beruhigte mich und fragte, ob wir ein Nudelsieb da hätten. In jedem anderen Moment hätte ich darüber vermutlich laut gelacht, aber in der Situation beruhigte mich der Gedanke sehr. Kurz darauf fand Peggy einen rosa Plastikbecher, in dem Paul mir von Zeit zu Zeit Wasser über den Körper schüttete und meinte, wir könnten auch einfach den zum Fischen benutzen. Ich stimmte erleichtert zu, meine Sorge war jedoch völlig unbegründet.

Peggy motivierte mich immer wieder zum Mitschieben, von selbst hatte ich noch nicht das Gefühl, als müsse ich schon pressen. Aber ich schob mit, was das Zeug hielt und muss im Nachhinein sagen, dass mir dieser Teil der Geburt leichter fiel, weil ich endlich aktiv mitwirken konnte.

In den Wehenpausen konnte ich auch normal reden und sogar lachen. Nach einigen Presswehen sagte Peggy, dass man das Köpfchen schon sehen könne, kurz zuvor war auch die Fruchtblase geplatzt.

Ursprünglich wollte ich gern im Vierfüßlerstand gebären, allerdings war unsere Badewanne so eng und schmal, dass ich einfach nicht genügend Platz hatte um effektiv zu pressen. Peggy schlug deshalb vor, mich auf den Rücken zu legen und gab mir mit den Händen Gegendruck an den Füßen. Ich presste so stark ich konnte und musste irgendwann kurz innehalten, weil mir schwindelig wurde.

Paul sagte im Nachhinein, er habe noch nie einen so roten Kopf gesehen! Irgendwann spürten wir alle, dass es nicht mehr lang dauern würde. Ich biss immer wieder in einen nassen Waschlappen, auch damit die Nachbarn nicht ganz so viel mithören mussten (im Nachhinein stellte sich heraus, dass Niemand auch nur lrgendwas gehört hatte..).

Irgendwann wechselte Peggy die Position, um bei der Geburt des Köpfchens zu unterstützen und Paul musste meinen Füßen Gegendruck geben. Eigentlich wollte er am Kopfende bleiben, aber er hat im Nachhinein immer wieder betont, wie schön er diesen Moment fand, als er auch noch aktiver mithelfen konnte. Mehr kann ein Mann unter der Geburt vermutlich nicht einbezogen werden. Zwischendurch klopfte es und Anke, unsere zweite Hebamme, kam an. Sie schaffte es ziemlich knapp. Im Nachhinein erzählte sie, dass sie nicht mehr wusste, in welcher Etage wir wohnen, ihr das Lauschen an der Wohnungstür jedoch schnell Aufschluss darüber gab, wo hier gerade ein Baby zur Welt kam. Wir mussten im Nachgang sehr darüber lachen.

Als das Köpfchen geboren wurde, hatte Paul Tränen in den Augen und dieser Anblick motivierte mich noch einmal mehr. Außerdem fand ich das Gefühl sehr unangenehm, dass der Kopf geboren war und der Körper noch in mir steckte. Ich wartete die nächste Presswehe kaum ab und schob noch einmal kräftig mit.

Um 8.08 Uhr zusammen mit dem ersten Licht des neuen Tages erblickte unsere Tochter Lotta das Licht der Welt. Das Gefühl, als dieses winzige, nasse Wesen plötzlich auf meinen Bauch lag, war einfach unbeschreiblich.

Sie schrie sofort kräftig los und wir waren überglücklich, wenn auch emotional etwas überfordert. Direkt nach wenigen Minuten spürte ich, dass die Plazenta noch geboren werden musste und mit Peggys leichter Unterstützung und sanftem Zug an der Nabelschnur kam sie.

Wir wechselten im Anschluss von der Badewanne in das Wochenbett auf dem heimischen Sofa und genossen unsere ersten Momente zu dritt.

Trotz allen negativen Kommentaren zu unserem Entschluss zu einer Hausgeburt, war dieses Erlebnis für uns einfach wunderschön und die absolut richtige Entscheidung. Wir haben uns zu jedem Moment sicher und gut aufgehoben gefühlt und ich konnte unsere Tochter selbstbestimmt und intuitiv zur Welt bringen.

Zurück zur Übersicht Nächster Beitrag